Zürcher Sigristen-Kantonaltag in Rheinau am Mittwoch, 10. Juni 2015

Am Mittwochmorgen haben wir uns bei leicht bewölktem Himmel im reformierten Kirchgemeindehaus in Rheinau getroffen. Bei Kaffee und Gipfeli wurden wir ganz herzlich begrüsst und haben uns anregend unterhalten. Gegen 9 Uhr haben wir uns langsam auf den Weg zur Bergkirche gemacht, wo wir die schöne Aussicht bewundern konnten bevor wir uns für eine kleine Andacht in der Kirche besammelt haben. Nach der Begrüssung und einigen besinnlichen Worten durch Beatrix Wicki, hat uns Herr Richi Müller, der Kirchgemeindepräsident von Rheinau-Ellikon etwas über die spezielle Situation in Rheinau erzählt.

Die reformierte Kirchgemeinde Rheinau-Ellikon liegt ganz im Norden des Kantons Zürich, hat 514 Mitglieder und 3 Gottesdienstorte, die paritätisch genutzt werden. Die Geschichte der Kirchgemeinde beginnt 1529 mit dem Ende der Reformation in der Schweiz. Als bei einer Pestepidemie alle reformierten Familie gestorben sind, wurde die damalige Kirchgemeinde Ellikon-Rheinau zur Filiale der Nachbargemeinde Marthalen. Als 1862 das Benediktinerkloster aufgelöst und in eine psychiatrische Anstalt umgewandelt worden ist, kamen mit den neuen Arbeitnehmern wieder reformierte Familien nach Rheinau, was eine erneute Umstrukturierung mit sich brachte. So wurde wieder eine Pfarrstelle geschaffen und 1979 schliesslich die eigenständige Kirchgemeinde Rheinau-Ellikon. Neben den Messen in den drei Kirchen in Rheinau selber, der katholischen Klosterkirche sowie den paritätisch genutzten St. Magdalenakapelle („Spitzkirche“) und St. Nikolaus-Kirche („Bergkirche“) wird ca. viermal im Jahr ein Gottesdienst im alten Schulhaus in Ellikon am Rhein angeboten. Etwas ganz Besonderes an Rheinau ist die schon erwähnte paritätische Nutzung von zwei der drei Kirchen, einmalig im Kanton Zürich. Während die Spitzkirche, so genannt weil sie in der Spitze der kleinen Flussinsel steht, seit ca. 14 Jahren paritätisch genutzt wird, ist dies bei der Bergkirche schon seit dem 17. Jahrhundert der Fall. Nach der Auflösung des Klosters ist die Bergkirche in den Besitz des Kantons Zürich übergegangen. Bei einer gross angelegten Renovation in den 1970er Jahre wurde der Innenausbau stark purifiziert, die Vertäfelung wurde geändert und die Wandmalereien überstrichen. Im August 2004 kam es in den frühen Morgenstunden zu einem Blitzeinschlag, infolge dessen der Dachreiter und der Dachstuhl vollständig abgebrannt sind. Im Zuge der daraufhin nötigen Renovationsarbeiten wurden die Wandmalereien im Inneren wieder rekonstruiert. Seit dem Jahr 2010 ist die Bergkirche jeweils zur Hälfte im Besitz der evangelisch-reformierten und der römisch-katholischen Kirchgemeinden.

Nach dieser informativen Einführung spazierten wir gemeinsam auf die Klosterinsel, wo wir auf dem Platz vor dem Kloster von Monika von Känel, der Sakristanin der Klosterkirche, in Empfang genommen wurden. Nach einer kurzen Begrüssung teilten wir uns auf, eine Gruppe besuchte die Musikinsel, die andere die Klosterkirche. Wir beide, die Gäste des Sakristanenverbandes der Kantone Zürich und Schaffhausen, haben uns für die Führung in der frisch restaurierten Klosterkirche entschieden.

Das erste Kloster wurde im Jahr 778 gebaut, 1114 folgte ein Neubau im romanischen Stil und 1710 wurde dann die heute noch bestehende Kirche unter Abt Gerold II. im Stil des Barock erbaut. Beim Neubau hat Abt Gerold beschlossen, den spätgotischen Turm aus dem Jahr 1575 nicht abzureissen, sondern dem Zeitgeist folgend einen zweiten, identischen Turm daneben bauen zu lassen. Im Zentrum des Bauwerks steht der prächtige Hochaltar. Alle Altäre, sowohl der Hochaltar als auch die vielen Seitenaltäre, sind mit der Lüstertechnik erbaut, dabei werden auf ein Grundgerüst aus Holz verschiedene Schichten aufgetragen und so ein Marmoreffekt erzeugt. Die üppigen Deckenfresken zeigen im Mittelgang Szenen aus dem Leben Marias, der die Kirche auch geweiht ist, links und rechts werden Szenen aus dem Leidensweg Christis gezeigt. Die Orgel wurde von Christoph Leu aus Augsburg innerhalb von lediglich vier Jahren gebaut und 1715 während zwei Monaten aufgestellt. Sie hat insgesamt 2000 Pfeifen, die von 15 cm bis zu 2 m gross sind und ist die zweitälteste Orgel des Kantons Zürich. Die Älteste steht ebenfalls in der Klosterkirche, aber im Chor. Im Barock war Symmetrie ein sehr wichtiges Element beim Bau, was man schon an der Erstellung eines zweiten Turmes sehen konnte. Im Chorraum wurde daher die Chororgel optisch an das ihr gegenüberliegende Grab des Heiligen Fintan angepasst. Fintan war ein Wandermönch, der im 19. Jahrhundert nach Rheinau gekommen ist und sich dort in eine Zelle einmauern liess. Bei der Aufhebung des Klosters wurde der grösste Teil des Klosterschatzes gespendet, von ursprünglich 90 Kelchen sind heute nur noch acht im Besitz des Klosters. Die Bücher der ehemals grossen Klosterbibliothek sind in den Bestand der Zentralbibliothek Zürich eingegliedert worden.

Am Ende der Führung durfte, wer wollte, noch auf den Turm oder die Glocken anschauen. Danach wechselten wir in den Kaisersaal, wo wir uns bei einem sehr feinen Apéro wieder besammelten und unsere Erlebnisse ausgetauscht haben. Nach dem Apéro verteilten wir uns auf die einzelnen Tischchen und wurden von der Stiftung Fintan mit einem leckeren Essen verwöhnt. Nach dem bunten Frühlingssalat zur Vorspeise gab es einen saftigen Rindsschmorbraten mit Butterspätzli, Saisongemüse und weissem Spargel. Für die Vegetarier der Gruppe gab es anstelle des Schmorbratens ein feines Pilzragout. Vor dem Dessert haben wir einen kleinen Verdauungsspaziergang zur Spitzkirche gemacht. Zurück im Kaisersaal hat sich Beatrix Wicki bei den Helfern bedankt. Danach gab es zum Abschluss des Tages noch Kaffee und Apfelstrudel mit Vanillesauce.